Ein alchemistisches Werkstattbuch für Radierer von Wolfgang Autenrieth
Es gibt zig Bücher über die Techniken der Radierung, und in den meisten finden sich gedrechselte Verweise auf die Kunstgeschichte und Abbildungen von großartigen Werken. Eben das lässt Wolfgang Autenrieth aus. Dafür beschreibt er detailgenau sämtliche Arbeitsabläufe vom Aufbau der Werkstatt über die Vorbereitung der Platten und die diversen künstlerischen Techniken und das Ätzen bis zum Druck und der Signatur. Und zwar von A bis Z aus eigener Erfahrung, wie etwa die Cyanotypie neben dem Buch zeigt.
In den vergangenen 40 Jahren hat der “passionierte Jäger und Sammler” Tipps und Tricks, Anleitungen und Rezepte aus fünf Jahrhunderten gesammelt, ausprobiert und mit den eigenen Erfahrungen angereichert. In klarer Sprache geschrieben, bietet das Buch Anfängern und erfahrenen Radierern und Radiererinnen wertvolle Hinweise und Anregungen zum Experimentieren.
Die Auflistung der Grundausstattung mit den Angaben alternativer Bezugsquellen zum Kunstfachhandel kann besonders dem Neuling Geld ersparen. Das Kapitel Plattenvorbereitung enthält nicht nur Rezepte für Sparsame, Perfektionisten und Nostalgiker, sondern auch verschiedene Methoden des Entgratens, Schleifens, Entfettens und der Abdeckung von Vorder- und Rückseite. Die Darstellungen der manuellen und fotochemischen Techniken des Kopierens, das besonders beim Druck auf mehreren Platten ein wichtiges Hilfsmittel ist, können Enttäuschungen beim ersten Probedruck vermeiden.
Bei den “trockenen” Techniken geht der Autor auch auf wenig bekannte Vorgangsweisen im Bereich Mezzotinto ein, etwa dem Aufrauen der Platte mit Sand und Schmirgel.
Um Missverstämdnisse auszuschalten, hat Autenrieth die Illustrationen akribisch zusammengesucht, etwa Roulettes, Moulettes und Granierwalzen (Bild: Toni Pecoraro / Public Domain). Wo er nichts fand, hat er selbst Skizzen angefertigt.

“Haben Sie einen Kaktus auf dem Fensterbrett?”, fragt er im ausführlichen Abschnitt über die “nassen” Techniken, das Ätzradieren. Dass dickere Kaktusdornen hervorragende Radiernadeln für das Zeichnen im weichen Abdecklack ergeben, ist nur einer der vielen ungewöhnlichen Tipps des Fachmanns.
Interessante Rezepturen und Vorgangsweisen enthalten die Kapitel über Abdecklacke für Hart- und Weichgründe, die Flächenätzung und Absprengverfahren, in denen auch Zufalls- und Mischtechniken behandelt werden.
Aus “Eigennutz” hat Autenrieth, unter anderem auch Photograph, das besonders von Kunstphotographen angewendete Edeldruckverfahren mit zahlreichen Rezepturen aufgenommen.
Pflichtlektüre ist schließlich der Abschnitt über die Ätzung und den Umgang mit Säuren, wobei sich beim Thema Dichtemessung zeigt, dass der Autor auch studierter Mathematiker ist. Hilfreiche Erfahrungen vermitteln weiters Kapiteln über Radierwerkzeug, Plattenmaterial, Farbe und Farbherstellung, Papier und das Drucken.
Ergänzt wird das Buch durch ein Chemikalienverzeichnis, eine ausführliche Bibliographie und ein umfassendes Stichwortverzeichnis. Unerwähnt bleibt bloß, dass zur Grundausstattung für den Tiefdruck auch dieser Band gehört.
Wolfgang Autenrieth: Neue und alte Techniken der Radierung und Edeldruckverfahren – Ein alchemistisches Werkstattbuch für Radierer. Tipps und Tricks aus der Praxis, 232 Seiten im Großformat 21 x 29,5 cm, erweiterte und überarbeitete 7. Auflage, ISBN 978-3-98217650-5
Bestellbar ist der Band in jeder Buchhandlung in Österreich, Deutschland und der Schweiz oder oder direkt beim Autor um 35 € (incl. Versand in BRD), 41,25 € in EU-Länder und und 46 € in die Schweiz, auf Anfrage mit einer netten Widmung.
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